“Abstimmungsbüechli” wird zum “Auslassungsbüechli”

Die wichtigsten Verletzungen des Gebots der Sachlichkeit in den Erläuterungen des Bundesrates zur Vollgeld-Initiative                           

1.  «Die Banken können Kredite vergeben, … (indem sie) dafür das Geld benutzen, das Kundinnen und Kunden auf ihr Bankkonto einbezahlt haben»
Das gilt nur für Bargeld-Einlagen. Fast alle Kundengelder sind reine Buchungen einer doppelten Buchführung, die nicht zweckentfremdet werden dürfen.
Der Prozess der Kreditvergabe wird falsch dargestellt.

2. «Darüber wird abgestimmt»: Hier wird nur eine Variante der Geldschöpfung dargestellt (schuldfreie Ausgabe an Bund, Kantone und Bürger).
Der Bundesrat weckt den falschen Eindruck, es gebe nur noch diesen Weg der Geldschöpfung. Er unterschlägt, dass die SNB wie bis anhin Darlehen an die Banken gewähren und Devisen, Wertpapiere und Gold kaufen kann.

3. «…dass die SNB die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten gewährleistet. Dadurch würde die Kreditsteuerung zunehmend bei der SNB zentralisiert».
Der Bundesrat unterschlägt einen zentralen Teil des Verfassungstextes: "… gewährleistet … die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten durch die Finanzdienstleister."
Der Bundesrat erhebt damit einen falschen Zentralisierungsvorwurf, also ob eine Zentralisierung der Kreditvergabe geplant sei. Dabei verbleibt die Kreditvergabe vollständig bei den Geschäftsbanken.

4. Der Bundesrat behauptet, dass die SNB «öffentliche Ausgaben direkt finanzieren» und damit zur direkten Staatsfinanzierung missbraucht werden könnte.
Das ist eine klare Falschaussage. Darin wird der Initiative eine unzulässige Verwischung von Geldpolitik und Fiskalpolitik vorgeworfen. Der Initiativtext stellt im Gegensatz dazu klar, dass die SNB nur «im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages» handeln kann. Dieser beschränkt sich ausdrücklich auf die «Geld- und Währungspolitik», die wie heute eine Stabilitätspolitik sein muss und Inflation wie Deflation verhindern soll. Nicht die Initiative, sondern der Bundesrat vermischt hier Geldpolitik und Fiskalpolitik, um die Initiative zu diskreditieren.

5. Der Bundesrat sieht die «Unabhängigkeit der Nationalbank gefährdet», da diese «unter starken politischen Druckgeraten» würde.
Der Bundesrat unterschlägt dabei die neue verfassungsmässige Garantie der Unabhängigkeit der SNB, die wie das Bundesgericht NUR dem Gesetz verpflichtet wird und damit vor politischen Begehrlichkeiten geschützt ist.

Insgesamt hat der Bundesrat die vorsätzlich irreführenden Argumente der Bankiervereinigung und der Economiesuisse – also den Standpunkt der Gegner der Initiative – unbesehen zu den seinen gemacht und damit seine Pflicht zur Sachlichkeit verletzt. Die Falschaussagen in den Erläuterungen wären bei zumutbarer sachlicher Prüfung der Initiative leicht zu vermeiden gewesen.

Bundesrat führt Stimmbürger in die Irre und missbraucht öffentliche Gelder für Wahlkampf

Ausführlichere Kritik am Bundesbüchlein


Die Erläuterungen des Bundesrates im Bundesbüchlein enthalten haarsträubende sachliche Fehler und Unterstellungen. Die Anforderungen, welche das Bundesgericht an Abstimmungserläuterungen stellt, werden bei Weitem nicht erfüllt. Das Bundesgericht verlangt von Abstimmungserläuterungen (BGE 138 I 83): „Im Sinne einer gewissen Vollständigkeit verbietet das Gebot der Sachlichkeit indessen, in den Abstimmungserläuterungen für den Entscheid des Stimmbürgers wichtige Elemente zu unterdrücken, für die Meinungsbildung bedeutende Gegebenheiten zu verschweigen oder Argumente von gegnerischen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben.“
Aber genau dies tut der Bundesrat! Er arbeitet mit Falschaussagen, Unterstellungen und Halbwahrheiten. Anstatt die Stimmbürger mit dem Bundesbüchlein über die Vollgeld-Initiative zu informieren, missbraucht der Bundesrat dieses für den Abstimmungskampf. Die Verwendung öffentlicher Gelder im Abstimmungskampf widerspricht aber demokratischen Grundsätzen und ist strikt verboten. Der Bundesrat gefährdet damit eine ordnungsgemässe Durchführung der Abstimmung am 10. Juni.
Das Initiativ-Komitee der Vollgeld-Initiative hat in den letzten Jahren den Bundesrat mehrmals auf Fehler hingewiesen, so zum Beispiel mit einer 28-seitigen Stellungnahme zur Bundesratsbotschaft vom 9.11.2016 (siehe: www.vollgeld-initiative.ch/kritik).
Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Fehler und Irreführungen zusammen. Es sind so viele Punkte, dass die Vollgeld-Initiative nicht mehr erkenntlich ist. Wer anhand des Bundesbüchleins abstimmt, hat eine andere Initiative vor Augen, aber nicht die Vollgeld-Initiative, um die es am 10. Juni geht.

Die Abstimmungserläuterungen des Bundesrates („Bundesbüchlein“), die zusammen mit den Wahlunterlagen verschickt werden, sind hier online: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20180610/VollgeldInitiative.html

1. Falsche Darstellung der heutigen Geldschöpfung der Banken

Das heutige Geld- und Bankensystem wird vom Bundesrat falsch dargestellt. Er schreibt: “Die Banken können Kredite auf zwei Arten vergeben: Sie können dafür das Geld benutzen, das Kundinnen und Kunden auf ihr Bankkonto einbezahlt haben. Sie können aber auch Geld schaffen.” (S. 9)
Richtig ist: Im heutigen System kann eine Bank (aus bilanztechnischen Gründen) keine Spargelder der Kunden für die Kreditvergabe nutzen. Genau das wird erst mit der Annahme der Vollgeld-Initiative möglich.
Der Darstellung des Bundesrates widersprechen Zentralbanken weltweit und auch Schweizer Geschäftsbanken wie die Aargauer Kantonalbank und die Freie Gemeinschaftsbank Basel. (siehe www.vollgeld-initiative.ch/wie-entsteht-geld)
Die Deutsche Bundesbank wird am deutlichsten: "Tatsächlich wird bei der Kreditvergabe durch eine Bank stets zusätzliches Buchgeld geschaffen. Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Bank 'auch altes, schon früher geschöpftes Buchgeld, z.B. Spareinlagen, weiterreichen' (könne), wodurch die volkswirtschaftliche Geldmenge nicht erhöht wird, trifft nicht zu."
Man fragt sich: Fehlt es dem Bundesrat bzw. der Finanzdepartement an Fachwissen und ausreichend Kenntnissen über das Geld- und Bankensystem? Oder handelt es sich um eine bewusste falsche Darstellung um die private Geldschöpfung der Banken, die von der Vollgeld-Initiative abgeschafft werden soll, zu verharmlosen?
Übrigens, die tatsächliche zweite Variante, wie Banken Buchgeld schaffen, verschweigt der Bundesrat. Banken können mit selbst erzeugtem Geld sogenannte Eigengeschäfte tätigen. Das bedeutet, dass Banken Vermögenswerte (Immobilien, Aktien, Obligationen, Gold usw.) mit extra dazu von ihnen hergestelltem Buchgeld bezahlen können. Neben der Kreditvergabe können die Banken also auch durch die Einkommen aus Vermögensanlagen Gewinne einstreichen, während sie selber kaum Kosten für diese Investitionen tragen müssen, da sie das Geld dafür selber herstellen.

2. Drei Varianten der Geldschöpfung mit Vollgeld

In der Einleitung „Darüber wird abgestimmt“ (S. 3) wird der Leser in die Irre geführt, indem von den zwei im Initiativtext genannten Varianten der Geldschöpfung nur die eine Variante erwähnt und die zweite Variante schlicht ausgelassen wird. Es ist zwar richtig, dass gemäss Initiativtext die Nationalbank im Zusammenhang mit ihrer Geldmengenpolitik auch Geld an Bund, Kantone und Bürgerinnen und Bürger auszahlen, also “schuldfrei” in Umlauf bringen kann. Es fehlt jedoch der ebenso wichtige nachfolgende Satz des Initiativtextes (Art. 99a, Abs. 3), dass die SNB wie bis anhin Darlehen an die Banken gewähren kann. In den ganzen Erläuterungen wird dieses zentrale Element der Initiative nicht dargestellt, sondern nur einmal in einem kleinen Nebensatz in einem anderen Zusammenhang versteckt (S. 8), obwohl es auch im Vollgeldsystem ein sehr wichtiges Instrument für die Nationalbank bleibt.
Desweiteren kann die Nationalbank weiterhin auch Devisen, Wertpapiere und andere Anlagegüter kaufen. Das ist auch heute, ebenfalls ohne Erwähnung in der Verfassung, eine Selbstverständlichkeit, die Vollgeld-Initiative ändert daran nichts. Die Bilanz der Nationalbank bleibt mit der Vollgeld-Initiative prall mit Werten gefüllt.
Der Leser des Bundesbüchleins bekommt also den falschen Eindruck, mit der Vollgeld-Initiative gäbe es nur noch einen Weg der Geldschöpfung, nämlich die Auszahlung an Bund, Kantone und Bürgerinnen und Bürger. Diese Fehlbeurteilung ist dann Basis für die weitere Argumentation des Bundesrates.
Richtig ist: Die Nationalbank kann wie bisher auch Darlehen an Banken vergeben, sowie Devisen und Anlagegüter kaufen. Sie entscheidet im Zusammenhang mit ihrer Geld- und Stabilitätspolitik frei darüber, in welchem Umfang sie jeweils diese verschiedenen Varianten der Geldschöpfung nützt.

3. Nationalbank bleibt für Geldpolitik verantwortlich

Die Vollgeld-Initiative gibt der Nationalbank zusätzliche Möglichkeiten, schreibt ihr aber keine konkrete Geldpolitik vor. Die Nationalbank behält also alle bisherigen Instrumente. Grundsätzlich gilt: Kein geldpolitisches Instrument ist per se gut oder schlecht, es geht immer darum, dass es vernünftig und ausgewogen eingesetzt wird. Deshalb gibt es eine unabhängige und mit ausreichend Personal ausgestattete Nationalbank, um das gezielte Einsetzen der Instrumente abzuwägen.
Im Bundesbüchlein finden sich viele Befürchtungen, die nichts mit der Vollgeld-Initiative zu tun haben. Damit diese Befürchtungen wahr werden könnten, müsste die Nationalbank eine unsinnige Geldpolitik betreiben und ihre gesetzlichen Aufträge missachten.

Der Bundesrat befürchtet, die Banken müssten ihre “Geschäftstätigkeit einschränken” (S. 7), weil sie von der Nationalbank nur Darlehen zu überhöhten Zinsen erhalten würden. Warum sollte die Nationalbank die Zinsen so erhöhen, dass die Tätigkeit der Banken abgeschnürt wird? Derzeit bekommen Banken Darlehen zu Null Prozent Zins. Warum sollte dies mit Vollgeld wesentlich anders sein?
Der Bundesrat befürchtet weiter, die Nationalbank könnte das zuvor “an den Bund, die Kantone oder die Bevölkerung verteilte Geld wieder zurückfordern”, um die Geldmenge zu reduzieren. Der normale Weg zur Reduktion der Geldmenge ist für die Nationalbank der Verkauf von Devisen und Wertpapieren und die Reduzierung der Darlehen an Banken. Warum sollte die Nationalbank übermässig viel schuldfreies Geld auszahlen und vorgängig auch noch so wenig Darlehen vergeben und Wertpapiere gekauft haben, dass sie keinen Puffer mehr hat, um die Geldmenge auf diesem normalen Wege zu reduzieren?
Die Nationalbank hat den gesetzlichen Auftrag, für Geldwertstabilität zu sorgen. Doch der Bundesrat unterstellt der Nationalbank, dass sie viel zu viel Geld schuldfrei auszahlen könnte, so dass es zu einer “Inflation” käme (S. 15). Ausserdem könnte die Geldpolitik der Nationalbank (welche gemäss Bundesverfassung dem Gesamtinteresse des Landes zu dienen hat) zu “volkswirtschaftlichen Schäden” führen. Warum, um Himmels willen, sollte die Nationalbank einen Verfassungsbruch begehen und der Schweiz schaden?

4. Kreditvergabe dezentral durch private Banken

Der Bundesrat schreibt: “Die Initiative sieht vor, dass die SNB die Versorgung der
Wirtschaft mit Krediten gewährleistet. Dadurch würde die Kreditsteuerung zunehmend bei der SNB zentralisiert. (...) Die Banken sind näher bei den Kundinnen und Kunden und am Markt als die SNB und können den Kreditbedarf und die Kreditrisiken am besten einschätzen.” (S. 15)
Durch diese Formulierung suggeriert der Bundesrat, dass die Kreditvergabe unter Vollgeld von der Nationalbank übernommen würde. Der Leser bekommt den Eindruck, dass man sich in Zukunft an die Nationalbank wenden könnte oder müsste, um einen Kredit zu erhalten.
Das ist völlig falsch.
- Die Vollgeld-Initiative trennt explizit Geldschöpfung und Kreditvergabe. Im heutigen System ist das miteinander verhängt, im Vollgeldsystem aber eben gerade nicht mehr. Vollgeld-Initiative heisst: Geldherstellung durch die Nationalbank, Kreditvergabe durch die Banken. Dies steht auch deutlich im Initiativtext, wurde aber vom Bundesrat ausgelassen (“Versorgung der Wirtschaft mit Krediten durch die Finanzdienstleister” in Art. 99a Abs. 1). Die vom Bundesrat befürchtete “zentralisierte Kreditsteuerung” gibt es nicht. Die Nationalbank wird auch zukünftig (gemäss Nationalbankgesetz) keine Kredite an Staat, Unternehmungen oder Haushalte beurteilen und erst recht nicht vergeben. Auch mit Vollgeld erfolgt die Kreditvergabe ausschliesslich dezentral durch die Banken.
- Dass die SNB den Zahlungsverkehr und die Kreditversorgung der Wirtschaft “gewährleistet” ist nichts Neues, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die SNB wurde vor über hundert Jahren gegründet um das Geldsystem stabil zu machen, so dass Zahlungsverkehr und Kreditvergaben zuverlässig möglich sind. „Gewährleisten“ heisst nicht verstaatlichen, sondern die Gesamtverantwortung dafür tragen, dass die Dienstleistungen von der Finanzbranche erbracht werden können. Das machte die SNB schon immer, z.B. durch Darlehen an Banken, die Organisation von Banküberweisungen durch SIX Interbank Clearing oder durch die UBS-Rettung.

5. Keine direkte Staatsfinanzierung

Die Aussage des Bundesrates, dass die SNB “öffentliche Aufgaben direkt finanzieren” würde (S. 7) ist eine klare Falschaussage: Die SNB entscheidet (wie bisher) allein aufgrund ihrer stabilitätsorientierten Geldpolitik, ob, auf welche Art und wieviel neues Geld in Umlauf kommt. Der Entscheid, wie die von der Nationalbank ausgeschüttete Geldmenge dann verwendet wird, ist ausschliesslich Sache des Parlaments. So ist es auch heute bereits geregelt im Zusammenhang mit den jährlichen Nationalbank-Ausschüttungen. Eine direkte Staatsfinanzierung ist nicht nur heute verboten, wie der Bundesrat anmerkt, sondern bleibt es auch mit der Vollgeld-Initiative.
Der Bundesrat verwechselt allenfalls die Ausgabe von zusätzlichen Geld mit der Bildung eines Staatsfonds durch die SNB. Der Bundesrat vermischt hier Geldpolitik und Fiskalpolitik. Seine Idee ist verboten, nicht jene der Initiative.

6. Unabhängigkeit der Nationalbank wird gestärkt

Der Bundesrat sieht die “Unabhängigkeit der Nationalbank gefährdet”, da diese “unter starken politischen Druck geraten” würde (S. 15).
Richtig ist: Starker politischer Druck ist nichts Neues für die Nationalbank, das ist sie gewohnt und kann damit umgehen. Dies beweist sie auch im Zusammenhang mit den jährlichen allfälligen SNB-Ausschüttungen an Bund und Kantone.
Die heutige Unabhängigkeit der SNB wird durch die Vollgeld-Initiative gestärkt. Sie erhält auf Verfassungsebene die gleiche Garantie, wie das Bundesgericht. Sie ist nur dem Gesetz verpflichtet und damit vor den Wünschen der Tagespolitik geschützt.

7. “Schuldfreie” Auszahlung ist normal

Dem Bundesrat ist die “schuldfreie” Auszahlung an Bund, Kantone und BürgerInnen ein besonderer Dorn im Auge. “Schuldfrei” heisst, dass das Geld nicht wieder zurückgezahlt werden muss.
Die Nationalbank überweist seit ihrer Gründung “schuldfrei” Gewinne an den Bund und die Kantone. Bis zu 2,5 Milliarden CHF landen so jährlich in den öffentlichen Kassen. Das wird von niemanden als ein Problem angesehen.
Warum soll es unkontrollierbare Auswirkungen haben, wenn diese Summe je nach Geldpolitik der SNB allenfalls auf 5 oder 10 Milliarden pro Jahr ansteigt?
Münzen werden seit 1848 vom Bund “schuldfrei” ausgegeben, womit der Nennwert neu geprägter Münzen dem Bundeshaushalt zufliessen. Es geht hier um Summen von bis zu 90 Millionen jährlich. (siehe www.vollgeld-initiative.ch/fragen/) Warum soll es schlimm oder aussergewöhnlich sein, wenn dieses Prinzip teilweise auch auf Banknoten und Buchgeld angewendet wird?
Wie schon ausgeführt, ist die Nationalbank durch den Initiativtext frei, in welchem Umfange sie diesen Weg der Geldschöpfung wählt. Und vor politischem Einfluss ist sie durch die gestärkte Unabhängigkeit geschützt.
Doch der Bundesrat meint, dass das “grosse Risiken birgt, weil es in der Regel zu Geldentwertung (Inflation) führt” (S. 15). Gleichzeitig betont der Bundesrat, dass es die Vollgeldreform noch “in keinem anderen Land gibt” (S. 15). Das passt natürlich nicht zusammen. Was für ein “in der Regel” hat der Bundesrat hier vor Augen?

8. Erhält die Nationalbank zu viel Macht, wie der Bundesrat befürchtet?

Geld ist immer Macht. Heute ist fast die ganze Macht der Geldschöpfung bei den privaten Banken. Die Vollgeld-Initiative teilt die Macht des Geldes auf, indem sie die Verantwortung für die Geldmenge dem demokratisch legitimierten und kontrollierten Staat zurückgibt. Soll unser Geld von Managern geschaffen werden, welche für die Geldvermehrung Boni in Millionenhöhe erhalten, bis die Blase platzt, oder soll sie von Angestellten des Staates gesteuert werden, welche keinen persönlichen Profit aus ihrer Verantwortung ziehen?

9. Falsche Zahlen über die Bedeutung der Banken

Um die Bedeutung des Bankenplatzes für die Schweiz zu unterstreichen, nennt der Bundesrat die Beschäftigtenzahlen des ganzen Finanzsektors – also z.Bsp. inklusive der Versicherungswirtschaft und sonstigen Finanzdienstleister (S. 7). Von der Vollgeld-Initiative sind jedoch nur die Banken betroffen. Damit reduziert sich der Anteil der angeblich betroffenen Beschäftigten von 5,6 % auf 3,0 %. Das wäre jedoch nur halb so imposant…
Aber ganz abgesehen davon geht dieser Hinweis ohnehin am Ziel vorbei, denn wegen der Vollgeld-Initiative wird kein Arbeitsplatz verloren gehen, da die Banken weiterhin für alle Bankdienstleistungen wie bisher zuständig sind. Die Banken-Arbeitsplätze sind nicht durch die Vollgeld-Initiative bedroht, sondern durch die neuen Möglichkeiten mit Fintech 2.0.

10. Weitere Fehler, Auslassungen und Manipulationen

- Im Abschnitt “Darüber wird abgestimmt” (S. 3) wird behauptet, die Sicherheit des Geldes hänge mit der schuldfreien Geldschöpfung zusammen. Das stimmt inhaltlich nicht und wird auch nicht von den Initianten so vertreten. Die Sicherheit des Geldes entsteht dadurch, dass die Zahlungskonten unabhängig von den Bilanzen der Banken und deren Geschäftsrisiko werden.

- Im Abschnitt “Was will die Initiative?” (S. 5) befinden sich mehrere subtile Irreführungen: “Die Initiative will, dass das gesamte Geld, sowohl das Bargeld als auch das Buchgeld auf den Bankkonten, ausschliesslich durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) geschaffen wird. Die Geschäftsbanken dürften also kein Geld mehr schaffen, indem sie Kredite vergeben. Zudem soll die SNB neu geschaffenes Geld «schuldfrei» in Umlauf bringen – also ohne Gegenleistung –, indem sie es direkt an den Bund, die Kantone oder die Bevölkerung verteilt. Mit diesem sogenannten Vollgeldsystem will die Initiative das Geld der Bankkundinnen und ‑kunden sicherer machen und Finanzkrisen verhindern.”
Erstens wird der Fehler von S. 3 wiederholt, die Sicherheit des Geldes hat nichts mit schuldfreiem in Umlauf bringen von Geld zu tun. Zweitens wird gegenüber dem Stimmbürger der Eindruck erweckt, gratis Geld verschenken solle Sicherheit und Finanzstabilität bringen. Jedermann soll damit erkennen, dass das Vollgeldsystem etwas Unsinniges sei; eine weitere Meinungsmanipulation zuungunsten der Initiative. Zu beachten ist, dass dies ein neutral erklärender Abschnitt «Was will die Initiative?» sein soll.
- Im Abschnitt “Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken” (S. 9) wird die Geldschaffung durch Eigengeschäfte (Kauf von Vermögenswerten) explizit nicht erwähnt, obwohl ein beträchtlicher Teil des Buchgeldes so in Umlauf kommt. Banken können Immobilien, Aktien, Gold und Wertpapiere mit selbst produziertem Geld kaufen, was sonst kein anderer Wirtschaftsteilnehmer kann.

- Der Bundesrat bezeichnet die Vollgeld-Initiative als “radikale Abkehr vom heutigen (...) Währungssystem” (S. 5). Es aber keineswegs eine radikale Abkehr, sondern normal, wenn eine Nationalbank die nationale Währung schafft. Die manipulative Absicht der Wortwahl ist offensichtlich.

- Der Bundesrat schreibt, dass das “Bargeld von der SNB geschaffen” wird (S. 6). Das stimmt aber nur für Banknoten, Münzen werden vom Bund geprägt. Die Bundeskanzlei hat vom Initiativkomitee verlangt, diese Unterscheidung in seinem kurzen einseitigen Text für das Bundesbüchlein zu machen. Warum gelten für den Bundesrat nicht die gleichen Ansprüche an Genauigkeit?

- Der Bundesrat schreibt, Vollgeld-Konten müssten “vollständig mit Guthaben bei der SNB gedeckt sein” (S. 6). Das ist sachlich falsch: Der Kern des Vollgeldsystems ist, dass ausschliesslich von der Nationalbank geschaffenes Geld zirkuliert. Darum brauchen Banken keine Guthaben mehr bei der Nationalbank, weil sie dann selbst auch mit Nationalbankgeld arbeiten und nicht mit selbstgeschaffenen Geld, welches sie heute “fraktional” absichern müssen. Heute muss ein Teil des privat von Banken geschaffenen Giralgeldes mit Vollgeld (= Geld von der Nationalbank) gedeckt sein (siehe Mindestreserve von 2,5%). Zu sagen, ein Vollgeldsystem verlange eine 100% Deckung, ist falsch und verwirrend. Bargeld, das ja schon heute Vollgeld ist, wird auch nicht noch zusätzlich “gedeckt”.

- Der Bundesrat schreibt, dass die “Kreditmenge und die Geldschöpfung massgeblich durch die Zinsen der SNB bestimmt” (S. 9) werden. Diese Aussage hat mit der Praxis nichts zu tun. Die SNB hat seit Jahren wegen dem Negativzins keinen Spielraum zur Steuerung der Geldmenge durch den Zinssatz. Ausserdem ist die Zinssteuerung sowieso beschränkt, da die Mindestreserve nur 2,5% ausmacht und Banken in normalen Verhältnissen nur entsprechend geringe Darlehen von der Nationalbank benötigen.
- Manipulativ sind folgende Formulierungen: “Die Geldschöpfung durch die Banken ermöglicht es Haushalten und Unternehmen, Investitionen zu finanzieren, die höher sind als ihre unmittelbar verfügbaren Ersparnisse. So können Projekte entwickelt werden, die sonst nicht möglich wären.” Das suggeriert, dass nach einem Verbot der Geldschöpfung durch Banken, keine Projekte mehr möglich sind, die die eigenen Ersparnisse übersteigen. Das ist aber falsch, mit Vollgeld gibt es natürlich weiterhin ausreichend Kredite. Dazu stehen den Banken die Tilgungen alter Krediten, Gelder von Sparern und Investoren zur Verfügung. Darüber hinaus kann die Nationalbank dem Bankensystem die notwendige Menge Geld für Kredite zur Verfügung stellen.

- Eine Unterstellung ist die Aussage, dass Vollgeld “keine Garantie zur Verhinderung von Finanzkrisen” sei (S. 14). Die Vollgeld-Initiative hat niemals eine derartige Garantie abgegeben. Durch die Vollgeld-Initiative bekommt die Nationalbank bessere Möglichkeiten, die Geldmenge zu steuern und so Finanzblasen entgegen zu wirken. Auch können sich Banken durch die Ausgliederung des Zahlungsverkehrs aus der Bankbilanz entflechten. Das ist hilfreich, beseitigt aber natürlich nicht z.B. die internationalen Ursachen von Finanzkrisen. “Garantiert” wird mit der Vollgeld-Initiative nur, dass das Geld auf dem Privat- oder Geschäftskonto vor den Auswirkungen von Finanzkrisen geschützt wird.

- Eine Halbwahrheit ist die Aussage des Bundesrates, dass bei einem Bankkonkurs “bis zu 100000 Franken pro Kundin oder Kunde und pro Bank gesichert sind.” (S. 14) Die Gesamtmenge der Einlagensicherung ist auf 6 Mia. CHF begrenzt, das reicht nur für eine mittlere Regionalbank. Die 6 Mia. Versicherungssumme reichen nur, um für 1 - 2% der gesamten Kundeneinlagen zu garantieren. Dadurch, dass dies nicht erwähnt wird, wird dem Leser eine falsche Sicherheit vorgegaukelt, seine 100'000 Franken seien in jedem Fall gesichert. Das ist aber nicht der Fall, was auch von der internationalen Bankenaufsicht bemängelt wird: www.vollgeld-initiative.ch/medienmitteilungen/einzel/internationale-bankenaufsicht-geld-auf-schweizer-konten-nicht-sicher/

11. Sieben Seiten Contra, eine Seite Pro

Jeder Schüler lernt den Unterschied zwischen Kommentar und Bericht. Im Bundesbüchlein gibt es diesen Unterschied nicht. In den “sachlichen Erläuterungen” vor dem Initiativtext wird genauso gegen Vollgeld argumentiert wie im Abschnitt “Die Argumente des Bundesrates”. Das Initiativkomitee hat dagegen nur eine Seite zur Verfügung gestellt bekommen. Sieben Seiten Contra und eine Seite Pro hat mit sachlicher Information nichts zu tun. Das ist ein frappierender Machtmissbrauch des Bundesrates.

12. Eine verpasste Chance

Im Bundesbüchlein geht der Bundesrat auf die wirklich zentralen Fragen der Initiative überhaupt nicht ein:
Ist die Schaffung von unseren Schweizer Franken* eine öffentliche oder private Aufgabe? (*Unternehmen und Private haben heute nur minimal gedeckte, elektronische „Versprechen“ auf inexistente Schweizer Franken auf ihren Konten)
Wem soll der Ertrag aus der Geldschöpfung zukommen?
Welche Auswirkungen haben die systembedingt immer weiter steigenden Schulden auf die Gesellschaft?
Warum gibt es kein zeitgemässes gesetzliches Zahlungsmittel in elektronischer Form, obwohl das Bargeld zunehmend verdrängt wird?

Der Bundesrat verzichtet auf jegliche Aussagen zur Zukunft des Geldsystems, obwohl es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass sich das Geldsystem in den nächsten Jahren durch die technologische Entwicklung (z.B. Fintech, Bitcoin, E-Franken, Block Chain, Krypto-Währungen usw.) mit oder ohne Vollgeld massiv verändern wird.

Stattdessen hat der Bundesrat die von der Bankiervereinigung und Economiesuisse vorgegebene Argumente übernommen. Der Bundesrat gesellt sich mit seinen Bedenken gegen die Vollgeld-Initiative zu jenen Gegnern, welche die Auswirkungen der Umsetzung der Vollgeld-Initiative schwarz ausmalen. Erfahrungsgemäss sind das die gleichen Leute, welche später, wenn die Verfassungsänderung beschlossen ist, das Ganze wieder weiss waschen, damit eine Light-Version der Initiative umgesetzt werden kann. Zuerst Angst machen mit Bezug auf den Initiativtext, dann verniedlichen.

13. Fazit

Die oben aufgeführten Punkte zeigen deutlich, dass der Bundesrat das Bundesbüchlein für eine Irreführung der Stimmbürger missbraucht und damit öffentliche Gelder für Abstimmungspropaganda eingesetzt.