Vollgeld-Initiative: Sensationelles Ergebnis bei repräsentativer Nachbefragung durch LINK-Institut

80 Prozent will dass die Nationalbank den Schweizer Franken herstellt. Eklatanter Widerspruch zum Abstimmungsergebnis.
Eine repräsentative Nachbefragung des Instituts LINK brachte Erstaunliches zu Tage.
60% der Befragten meinen irrtümlicherweise, dass die SNB schon heute den überwiegenden Teil unseres Geldes herstellt. Damit sind sie der Ansicht, dass das Ziel der Vollgeld-Initiative schon umgesetzt sei. Das erklärt, weshalb die Dringlichkeit der Vollgeld-Initiative durch die Abstimmenden nicht wahrgenommen wurde. Tatsächlich wird das gesamte elektronische Buchgeld, das etwa 90% der Geldmenge ausmacht, von den privaten Geschäftsbanken erzeugt.
Die Nachbefragung zeigt ausserdem, dass das Abstimmungsergebnis in eklatantem Widerspruch zu den Ansichten der Auskunftspersonen steht. Obwohl fast 80% der Befragten der Meinung sind, dass die Herstellung von Schweizer Franken ausschliesslich Sache der Nationalbank sein soll, wurde die Vollgeld-Initiative, die genau dies verlangte, nur von 24% der Abstimmenden angenommen.
Und obwohl nur 10% der Befragten der Meinung sind, dass private Banken den Schweizer Franken herstellen sollen, haben am 10. Juni 2018 76% der WählerInnen dafür gestimmt, dass die privaten Banken weiterhin das elektronische Buchgeld und damit ca. 90% der Geldmenge herstellen.

Diese frappierenden Widersprüche können so erklärt werden:
- Da das Thema der Geldschöpfung neu war, ist es bei dem überwiegenden Teil der Stimmbürger noch nicht richtig angekommen. Das Initiativkomitee hatte trotz grosser Anstrengungen nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung, um die grundlegenden Informationen zum Verständnis der Vollgeld-Initiative der Bevölkerung zu vermitteln.
- Die Nein-Kampagne hat zusammen mit irreführenden Informationen im Bundesbüchlein und seitens der Schweizer Nationalbank zur Verwirrung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheidend beigetragen.

Die Nachbefragung und das Abstimmungsergebnis zeigen, dass die Diskussion zur Frage “Wer soll unser Geld herstellen?” nicht abgeschlossen ist. Eine erneute Debatte darüber würde der Demokratie gut anstehen

Hier: Link zu den Ergebnissen der Nachbefragung

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Die Vollgeld-Initiative: Aufklärung über unser Geldsystem. 
Eine Analyse von Prof. Philippe Mastronardi

Die Vollgeld-Initiative ist am 10. Juni 2018 mit 75% Nein-Stimmen deutlich abgelehnt worden. Trotzdem bleibt sie wertvoll. Abgelehnt wurde sie nur, weil Behörden und Parteien nicht gewillt waren, ihre alte Denkweise infrage zu stellen. Wenn eine nächste Krise des Geld- oder Bankensystems, die mit der herkömmlichen Politik nicht bewältigt werden kann, sie dereinst zum Umdenken zwingen sollte, kann das Vollgeld als Modell zur Lösung dienen.

Lesen Sie hier die gesamte Analyse

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Schlussfolgerungen aus dem Abstimmungsergebnis vom 10. Juni 2018
von Hansruedi Weber (ehem. Präsident Verein MoMo)

Der Praxistest für mehr Demokratie im Geldwesen ist offensichtlich gescheitert.
1. Die Schweizer Stimmbürger/innen wollen keine Schweizer Franken.
2. Die Schweizer Stimmbürger/innen wollen kein schuldenfreies Geld.
3. Die Schweizer Stimmbürger/innen wollen keine Geldschöpfungsgewinne.
4. Die Schweizer Stimmbürger/innen wollen keinen souveränen Staat.
5. Die Schweizer Stimmbürger/innen wollen keinen gleichberechtigten Marktzutritt.
Wie kann man sich das negative Abschneiden der VGI erklären?

Lesen Sie hier die gesamte Analyse

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Vollgeld im Rückblick – weshalb wir nur auf 24 Prozent JA-Stimmen kamen
Notizen des Auswertungs-Workshop der Vollgeld-Initiative am 14. Aug. 2018 in Zürich

Individuelle Rückblicke:

· Teils Enttäuschung über das Abstimmungsresultat teils aber auch Zufriedenheit mit der Leistung des Vereins.
· Eine Abstimmung kann man ohne Unterstützung zumindest von einem Teil des Establishments nicht gewinnen
· Die Initiative wird noch ihre Wirkung entfalten.
· Der Verein entwickelt sich positiv. Viele neue Mitglieder seit der Abstimmung.
· Es ist erschreckend, welche Macht das Establishment hat und wie sehr sich die Bevölkerung manipulieren lässt.
· Die Einführung wichtiger Gesetze dauert in der Schweiz. Es braucht mehr als einen Anlauf.
· Die Kampagne sitzt noch in den Knochen. Die andauernde Belastung hat Spuren hinterlassen.
· Die Welt ist relativ.

Analyse von Reini Harringer:
Wir haben alle einen riesigen und verdienstvollen Einsatz geleistet. Unsere Internetseite und auch die Qualität unserer übrigen Beiträge blieben weitgehend unbestritten. Die nachfolgenden Bemerkungen sollen dies in keiner Weise schmälern! Aber wir haben die Abstimmung aus der Kombination von zwei Gründen verloren: Starke Gegner und eine schwierige eigene Position.

1. DIe Gegner waren stärker, weil
- finanzkräftiger (viel mehr Plakate)
- prominenter und vertrauenswürdiger (Bundesrat, Parlament, Nationalbank usw.)
Die Gegner konnten
- die Diskussion lange Zeit unterdrücken und die zentralen Fragen einfach umgehen
- auf Ängsten aufbauen („kein anderes Land“, Risiko, Experiment)
- die Probleme verniedlichen („wir haben alles im Griff“)
- auf „Altbewährtem“ aufbauen

2. Unsere Position war schwierig, weil
a) die negativen Nebenwirkungen des Geldes in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft nicht /zu wenig bekannt sind bzw. das Problem geleugnet wird.
b) wir zu viel wollten. Wir wollten nicht nur sicheres Geld, sondern auch schuldfreies Geld und die Seigniorage. (Das 100 % Geld / „SNB Konto für alle“ hätten das Geld auch sicher gemacht, aber dies hätte kein schuldfreies Geld und damit keine Seignorage gebracht).
c) wir keine Lösung für ein konkretes, aktuelles Problem vorschlugen, sondern eine langfristig ausgerichtete Strategie anstrebten.
d) auch wohlgesinnte Journalisten letztlich ihr Geld in der Wirtschaft verdienen müssen bzw. von den Banken abhängig sind.
e) Abstimmungen letztlich emotional entschieden werden und wir da wenig zu bieten hatten.

Kommentare dazu:
Thomas Mayer: Wir haben in der Anfangsphase vor dem Start der Unterschriftensammlung zu wenig Zeit ins Antizipieren der Gegenargumente investiert.
Hendrik Barth: Vielleicht hätten wir mutiger sein und eine provokativere Kampagne machen sollen.
Daniel Meier: Nur weil die VGI so umfangreich gestaltet war, sind so viele verschiedene Kräfte zusammen gekommen, die schlussendlich die Initiative getragen haben. Hätte man «weniger» gewollt, vielleicht einen Zwischenschritt gefordert, hätte das die Vollgeld-Bewegung eventuell geschwächt.
 
Analyse von Emma Dawnay:

1) Could we have changed anything that would have caused us to win?
No. I think the only way to win would have been to have got most political parties to support us. The only way to have done this would have been to get the Swiss National Bank to support us. I don't think with any amount of lobbying we could have achieved this at this time, especially with Thomas Jordan as leader.
I don't believe more campaign funding would have made a difference.

2) What could we have done differently?
These would have helped, but we would still not have won:
Initiative Text:
I think it would have helped:
- to make it explicit that the SNB could continue to trade in foreign assets etc after a switchover to Vollgeld
- to make it explicit that the SNB could have continued to target interest rates (rather than money supply)
- to explain in more detail how the changeover need not be a drastic event, and that if the SNB targeted interest rates after the changeover, there should be no destabilising effect on financial markets.
Academic support:
We needed an academic journal paper to show the benefits of Vollgeld to Switzerland, from a respected Swiss professor. This should have been available preferably before the launch of collecting signatures.

3) What did we do well?
-Technical documentation
-Arena and media events (Raffael Wüthrich in particular was brilliant)
-Enlisting help from so many activists for such a dry technical topic including piggy, talks for local political parties, leafleting, donating money. To enable this, all the work with our database and answering emails etc was very important.

4) What can we learn?
A change to the system is likely to come from inside the SNB. We have made this more likely by giving a whole generation of young central-bankers in Switzerland and around the globe an idea that forces them to "think outside the box", as well as educating the Swiss electorate on how the system works now - which will always be the first step towards change.

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Voto Studie zur Abstimmung 10. Juni 2018

Mit dem Forschungsprojekt VOTO wird nach jeder eidgenössischen Volksabstimmung die Beweggründe für die Teilnahme und die Entscheide der Schweizer Stimmberechtigte untersucht: http://www.voto.swiss/

Die Voto Studie zur Abstimmung vom 10. Juni 2018 ist hier: http://www.voto.swiss/wp-content/uploads/2018/07/VOTO_Bericht_10.06.2018_DE.pdf

Zusammenfassung: http://www.voto.swiss/wp-content/uploads/2018/07/VOTO_10.06.2018_Summary_DE.pdf

"Die Vollgeld-Initiative bereitete den Stimmenden erhebliche Mühen. 58 Prozent gaben an, es sei ihnen bei dieser Vorlage schwer gefallen zu verstehen, worum es ging. Aus diesem Grund spielten Empfehlungen von Akteuren, denen man Vertrauen schenkt, eine sehr bedeutende Rolle: Gemäss eigenem Bekunden folgten 21 Prozent der Ablehnenden und acht Prozent der Ja-Stimmenden entsprechenden Empfehlungen.
Bei den Ja-Stimmenden kamen noch 17 Prozent hinzu, die das Begehren annahmen, weil sie ein Misstrauen gegenüber den Geschäftsbanken hegen.
Die Argumente der Initiativbefürworterschaft fanden zwar durchaus Anklang. Nichtsdestotrotz hielt eine überwiegende Mehrheit der Stimmenden einen Wechsel zu einem Vollgeldsystem für ein zu riskantes Experiment, das sie nicht einzugehen gewillt waren."

Interessant:
- 41% hat das Thema gar nicht interessiert.
- Man muss die 60-80 Jährigen erreichen können, die diese vorallem zur Urne gehen.
- Nur Leute die politisch interessiert sind, sind stimmen gegangen. Die meisten die nicht einer Partei angehören, sind nicht wählen gegangen.
- Die Systemgegner haben wir nicht erreicht.
- Mit Social Media erreicht man ca. 30% der Bevölkerung.
- 90% haben sich mit dem Bundesbüchlein informiert.
- Die Frage wie das Geldsystem zu organisieren sei, hat offensichtlich für den Wähler keinen Bezug zu den sozialen Konfliktlinien.
- Grosses Vertrauen der Stimmbürger in die Regierung und die SNB.
- Grosses Vertrauen aber auch in die privaten Banken.
- Fast die Hälfte der Bürger gab ein inhaltsfernes Abstimmungsmotiv an.

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Tamedia Nachbefragung

Die drei Tamedia-Umfragen zur eidgenössischen Abstimmung vom 10. Juni 2018 sind hier: https://www.tamedia.ch/de/umfragen

Vollständiger Bericht vom 12. Juni 2018 zur Nachabstimmungsbefragung:
https://www.tamedia.ch/tl_files/content/Group/PDF%20Files/Deutsch/Bericht_NAB_AbstJuni.pdf

Daraus einige bemerkenswerte Punkte:

Stimmentscheid nach Parteien: Die Tamedia Nachbefragung zeigt, dass die Vollgeld-Initiative bei den Grün-WählerInnen eine Mehrheit bekam mit 51% Ja, gefolgt von SP-Wählern mit 32% Ja, SVP mit 24% Ja, GLP mit 23% Ja, BDP 16 Ja, CVP 12% Ja und FPD 12% Ja.

Wohnort: In Städten betrug die Zustimmung 31%, auf dem Land 20%.

Argumente für und gegen die Vollgeld-Initiative
Die Anteilswerte sind jeweils nur für die Befürworter oder die Gegner einer Vorlage berechnet.

Welches Argument spricht am ehesten für die Vollgeld-Initiative?
- Unsere Bankguthaben sind im Falle einer Bankenkrise nicht sicher, weil es sich um virtuelles Buchgeld handelt. 33%
- Die Initiative ist eine Möglichkeit, an der Urne Kritik an der Bankenwelt zu äussern. 25%
- Die Gewinne der Geldschöpfung sollen der Allgemeinheit zugutekommen. 20%
- Vollgeld macht elektronisches Geld so sicher wie Bargeld im Tresor. 9%
- Keines. 6%
- Ein anderes. 7%
Statistische Unschärfe (±) 3%

Welches Argument spricht am ehesten gegen die Vollgeld-Initiative?
- Unser Geld- und Währungssystem funktioniert. Eine radikale Abkehr davon ist ein Abenteuer mit unkalkulierbaren Risiken. 61%
- Die Initiative schränkt die Geschäft stätigkeit der Banken ein und schädigt den Finanzplatz. 18%
- Die Initiative gefährdet die Unabhängigkeit der Nationalbank und die Preisstabilität. 9%
- Ein Vollgeldsystem kann Finanz- und Wirtschaft skrisen nicht verhindern. 8%
- Ein anderes. 3%
- Keines. 1%
Statistische Unschärfe (±) 3%

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Medienberichterstattung zur Vollgeld-Initiative

Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (FOeG) der Uni Zürich beobachtet die Medienberichterstattung vor Abstimmungen und erstellt jeweils einen Abstimmungsmonitor. (https://www.foeg.uzh.ch/de/analyse/dossier.html#3)

Die Anzahl der Berichte über die Vollgeld-Initiative war im Vergleich zu anderen Abstimmungen leicht unterdurchschnittlich und die Tonalität klar negativ, das heisst, die Kritik überwiegte.

Inserateanalyse

Seit 2013 untersucht Année Politique Suisse an der Universität Bern die Kampagnentätigkeit im Vorfeld eidgenössischer Abstimmungen. Konkret werden Zeitungsinserate aus 53 Printmedien während acht Wochen vor dem Abstimmungstermin gesammelt und analysiert. Die bisher zwischen 2013 und 2018 erfassten 52 Inseratekampagnen können miteinander verglichen werden. 
Die Auswertung von Année Politique Suisse zu den Abstimmungen vom 10.06.2018 rund eine  Woche  vor  dem  Urnengang  zeigt  eine  durchschnittlich  starke  Kampagne  zum Geldspielgesetz, obwohl der Vorlage eine eher geringe Relevanz zugeschrieben wird. Vergleichsweise wenige Inserate wurden zur Vollgeld-Initiative publiziert, diese stammen zu einem sehr grossen Anteil von den Initiativgegnern und weisen einen recht eigenwilligen Kampagnenverlauf auf.