Abstimmungsbeschwerde beim Bundesgericht

Die StimmbürgerInnen waren vor der Abstimmung einem Gewitter von Falschinformationen durch den Bundesrat und die SNB ausgesetzt. Das Bundesbüchleich war gespickt mich Fehlern (siehe https://www.vollgeld-initiative.ch/bundesrat). Und der Präsident der SNB Thomas Jordan wurde in den Wochen vor der Abstimmung zur stärksten Waffe der Gegner der Vollgeld-Initiative. Durch seine öffentliches Ansehen war er gesuchter Interviewpartner in den Medien (mehr zu den Falschinformationen).

In den Monaten vor der Abstimmung wurde kaum über die Vollgeld-Initiative öffentlich diskutiert, sondern über ein von den Gegnern geschaffenes Zerrbild. Das mitzuerleben war erschreckend. Als Initiative waren wir dem ausgeliefert. Wir thematisierten in der Öffentlichkeit diese Manipulation der Stimmbürger/innen. Öffentliche Institutionen sind zur Sachlichkeit und Ausgewogenheit verpflichtet.

Michael Derrer aus Rheinfelden erhob eine Abstimmungsbeschwerde. Betreut wurde die Beschwerde von Luka Markić, MLaw (Jurist), Prof. Philippe Mastronardi (Staatsrechtler) und Thomas Mayer (Kampagnenleiter Vollgeld-Initiative. Die Beschwerde wurde mit viel Aufwand betrieben. Das Bundesgericht wies sie letztlich aber hauptsächlich aus formalen Gründen ab, ohne auf die geldpolitischen Fragen einzugehen.

 

Im Folgenden dokumentieren wir den Klageverlauf, der ein Lehrstück Schweizer Demokratie ist.

19.4.2018: Michael Derrer aus Rheinfelden reicht eine Abstimmungsbeschwerde mit 39 Seiten beim Kanton Aargau ein. Aus juristischen Gründen ist der Kanton auch bei eidgenössischen Abstimmung die erste Ansprechstelle.
Abstimmungsbeschwerde beim Kanton Aargau

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21.4.2018, Artikel im Tagesanzeiger: "Beschwerde wegen Fehlinformation bei Vollgeld-Initiative eingereicht
«Verzerrte und lückenhafte» Aussagen: Initianten der Vollgeld-Initiative haben eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht."
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/haben-bundesrat-und-snb-nicht-korrekt-zur-vollgeldinitiative-informiert/story/13812547

21.4.2018, Artikel im NZZ: "Sympathisant der Vollgeld-Initiative reicht Beschwerde ein
Die Behörden hätten «haarsträubend» über die Vollgeld-Initiative informiert. Dieser Meinung ist eine Privatperson, die nun eine Abstimmungsbeschwerde wegen Fehlinformation eingereicht hat."
https://www.nzz.ch/schweiz/sympathisant-der-vollgeld-initiative-reicht-beschwerde-ein-ld.1379535

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3.5.2018: Da die Verstösse nicht nur im Kanton Aargau stattgefunden haben, beschliesst der Regierungsrat erwartungsgemäss ein Nichteintreten, womit ein Weiterzug zum Bundesgericht möglich wird.
Beschluss des Regierungsrates Aargau auf Nichteintreten

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6.5.2018: Die Abstimmungsbeschwerde für das Bundesgericht wurde weiter ergänzt und besteht nun aus 58 Seiten.
Abstimmungsbeschwerde beim Bundesgericht zur Vollgeld-Initiative

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16.5.2018: In einem Mediengespräch in Bern stellt Michael Derrer die Beschwerde vor.
Redetext von Michael Derrer
Präsentation zum Mediengespräch

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18.5.2018: Die in der Beschwerde genannten Bundesbehörden antworten darauf:
Antwort der SNB
Antwort der Bundeskanzlei
Antwort der FDK (Die Finanzdirektorenkonferenz ist der Zusammenschluss der 26 kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren.)

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31.5.2018: Auf diese Schriftsätze der Bundeshörden geht die Replik von Michael Derrer ein.
Replik zu den Antworten der Bundesbehörden

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2.6.2018, Artikel im Tagesanzeiger: "«Die Guthaben bei den Banken sind heute nicht sicher»
Bund und Nationalbank würden die Vollgeldinitiative falsch darstellen, sagt der Unternehmer Michael Derrer. Warum er das Vorhaben unterstützt."
https://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/geld/die-guthaben-bei-den-banken-sind-heute-nicht-sicher/story/28213023

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10.6.2019: Während die Schriftsätze beim Bundesgericht liegen, findet die Abstimmung über die Vollgeld-Initiative statt.

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16.7.2018: Die SNB schickt einen weiteren Schriftsatz an das Bundesgericht.
Dublik der SNB zur Vollgeld-Initiative

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11.8.2018: Darauf eingehend verfassen wir einen letzten Schriftsatz.
Dublik-Antwort von Michael Derrer

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10.12.2018: Aufgrund der Schriftsätze und ohne mündliche Verhandlung entscheidet das Bundesgericht über die Abstimmungsbeschwerde. Diese wird abgelehnt, die Argumentation bleibt formaljuristisch, auf die inhaltlichen Fragen geht das Bundesgericht kaum ein. Die FDK wird gerügt, dass sie sich nicht hätte äussern dürfen.
Medienmitteilung des Bundesgerichtes zum Urteil zu Vollgeld-Initiative
Urteil des Bundesgerichtes zur Vollgeld-Initiative

21.12.2018, Artikel im NZZ: "Bundesgericht weist Beschwerden zu Abstimmung über Vollgeldinitiative ab
Ein Sympathisant der Vollgeldinitiative beanstandete zwei Medienmitteilungen, die im Vorfeld der Abstimmung publiziert worden waren. Jene der Schweizerischen Nationalbank ist aus Sicht des Bundesgerichts nicht zu bemängeln, jene der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren hingegen war nicht statthaft."
https://www.nzz.ch/schweiz/bundesgericht-weist-beschwerden-gegen-abstimmung-ueber-vollgeldinitiative-ab-ld.1446843

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13.1.2019: Der Staatsrechtler Philippe Mastronarde kommentiert das Urteil.
Kommentar zum BGer Urteil zur Vollgeld-Initiative

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26. März 2019: Aufgrund des Urteiles können Kantone nicht mehr direkt in den eidgenössischen Abstimmungskampf eingreifen.
Artikel im Tagesanzeiger: "Das grosse Schweigen der Kantone - Bisher durften sich die Kantone nicht zum Steuer-AHV-Deal und zum Waffenrecht äussern. Jetzt suchen die Kantone neue Wege, um in den Abstimmungskampf eingreifen zu können."
m.tagesanzeiger.ch/articles/10118200

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Nach dem ernüchternden Urteil des Bundesgerichtes gibt es einige Monate später doch noch einen Lichtblick. Die Abstimmung über die Heiratsstrafe wird vom Bundesgericht annulliert. Ein Novum.

11.04.19, Artikel auf watson: "Diese 5 Abstimmungen wurden nicht annulliert – trotz Fehlern im Bundesbüchlein
Der Entscheid des Bundesgerichts, die Abstimmung über die Heiratsstrafe zu annullieren, war ein Novum in der Geschichte des Bundesstaates: Noch nie wurde eine Abstimmung auf nationaler Ebene für ungültig erklärt. Die mündliche Begründung der Lausanner Richter: Die unvollständigen und intransparenten Informationen des Bundesrats hätten die Abstimmungsfreiheit der Stimmbürger verletzt."
www.watson.ch/schweiz/justiz/629274401-historisches-urteil-diese-5-abstimmungen-annullierte-das-bundesgericht-nicht-trotz-fehlern