Der Belzebub im Schlaraffenland

Zum Beitrag von Rudolf Walser "Die Fiktion des risikolosen Vollgelds" vom 13. Juni 2014.

Wie die avenir suisse bei der Kritik am Vollgeld ins Reich der Fiktion abgleitet.

von Fabian Perrenoud

Das bisherige Aufsichtsmodell für den Finanzmarkt hat nicht überzeugt. Auch nach der Finanzkrise 2008  ist es  der Politik nicht gelungen griffigen Massnahmen einzuführen. Weder das immens komplexe Basel III Regelwerk, noch der mit 55 Milliarden lächerlich knapp bemessene Bankenabwicklungsfonds der EU können überzeugen. Privatbanken dürfen weiterhin praktisch unbeschränkt selber Geld schöpfen und die Geldmenge wächst ungehemmt weiter. Trotzdem sind Investitionskredite nach wie vor schwer zu bekommen. Das meiste Geld fliesst in die Finanzspekulation. Trotzdem stellt sich die avenir Suisse bisher gegen die Vollgeldinitiative. Ohne gute Argumente, dafür mit überschiessender Phantasie.

Politische Diskussionen sind nicht nur ein Kampf von Argumenten, sondern auch von Worten. Ob „gegen Masseneinwanderung“ oder „für Abschottung“, ob gegen „Krieg“ oder für eine „Friedensmission“, der Ton macht die Musik.  Auch Rudolf Walser greift formulierungstechnisch tief in die Trickkiste, wenn es um Kritik an der Vollgeldinitiaive geht. Schon im Titel wird die Initiative als „Fiktion“ bezeichnet. Im Folgenden begibt sich der Autor allerdings selber mutig ins Reich der Sagen und Märchen.  Die aus seiner Sicht  „überflüssige“ und „gigantische“ Initiative wolle uns ins „Schlaraffenland“ führen,  sei aber in Wirklichkeit ein „Belzebub“ und wolle „den Kapitalismus überwinden“.

Der Artikel beginnt mit einem peinlichen sachlichen Fehler. Die Initiative fordere eine Mindestreserve von 100% wird behautet. Offensichtlich hat Herr Walser den Schritt vom 100% Money zum Vollgeld geistig noch nicht nachvollzogen.

Die Kontrolle der Geldmenge durch die Nationalbank sei im gegenwärtigen System gewährleistet behauptet Walser weiter. Wie er zu dieser erstaunlichen Einschätzung gelangt verrät er dem interessierten Lesepublikum allerdings nicht. Die anschliessenden Ausführungen zu den entstehenden Geldschöpfungsgewinnen werden mit dem Begriff „Schlaraffenland“ lächerlich gemacht und nicht weiter kommentiert.

Walser führt gegen die Initiative letztlich drei Punkte an:

Zu Punkt 1: Die Kontenführungs-  und Kreditinfrastruktur würde „aus der Welt geschafft“.

Wie Herr Walser auf diese Idee kommt verrät er leider ebenfalls nicht. In der wirklichen Welt sieht die Sache so aus: Die Girokonten der Kunden werden zu Vollgeld Konten, welche von den Banken treuhänderisch verwaltet werden. Dies hat keinerlei negativen Einflüsse auf die Finanz- Infrastruktur. ( Ein ähnliches System wurde von der schweizerischen Post jahrzehntelang praktiziert, bevor sie eine Banklizenz hatte).  Im Gegenteil: Geldtransaktionen würde sogar vereinfacht, denn eine Überweisung von Vollgeld wäre direkt möglich (ohne Clearing).

Zu Punkt 2: Dem Staat sei nicht zu trauen.

Auch dieses Lieblinsmantra der Freunde sogenannt liberaler oder neoliberaler Weltanschauung lässt Walser nicht unbemüht und führt ihn dazu die Intiative als „unrealistisch“ abzukanzeln. Fakt ist: Nicht die Regierung, sondern eine demokratisch legitimierte Institution (Die Nationalbank) erhält einen klar definierten  gesetzlichen Auftrag und die Mittel um diesen zu erfüllen. Sicher ist jedenfalls, dass private Banken, welche nur dem Profit verpflichtet sind, die Geldmenge NICHT objektiv festlegen.

Zu Punkt 3:

Rudolf Walser bezeichnet die Vollgeldreform als: „gigantischen, irreversiblen Umbau“ und schreibt von „schwer kontrollierbaren Risiken“. Einer „kontrollierten“, „schrittweisen“, „effizienten“ und „klugen“ Reform sei der Vorzug zu geben.

Auf so eine Reform dürfen wir wahrscheinlich bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, wenn überhaupt. Sein Schlusssatz: Auch Banken müssen in der marktwirtschafltichen Ordnung untergehen können zeugt wiederum von Unkenntnis: Auch im Vollgeldsystem können Banken untergehen, sogar einfacher als heute, weil sie dann die Kundengelder nicht mit in den Abgrund reissen.  (too big to fail Problematik).

Zum Schluss des Artikels holt Walser noch einmal den verbalen Hammer hervor: Die Initiative wolle den Kapitalismus abschaffen, was allerdings „nicht offen“ gesagt werde.  Was damit gemeint sein könnte bleibt völlig unklar,  wahrscheinlich will Walser die Initianten mit diesem Satz in die linke Ecke drängen.

Schliesslich wird Walsers Tonfall geradezu anklagend:

Die Initiative liefere keine „saubere Analyse und Diagnose“ und bediene sich dennoch „munter“ der direkten Demokatie. Ein „inflationäres“ Spiel mit der Demokratie sei das, nicht „sachgerecht“ und – er kann es nicht oft genug wiederholen- für den  Wirtschaftsstandort Schweiz schädlich.

Was auch immer Herr Walser sich unter einer sachgerechten und sauberen „Analyse und Diagnose“ vorstellt, sein Artikel ist sicher keine.  Was er in der „gebotenen Kürze“ darlegt ist voller sachlicher Fehler, leerer Behauptungen und Polemik. Kritik ist in einer demokratischen Gesellschaft stets erwünscht, aber nicht so! Liebe avenier suisse, das nächste mal bitte etwas „sachgerechter“.